The 1

The 1 ist eines der Lieder auf Taylor Swifts neuem Album „Folklore“. In diesem Lied wird rückblickend auf eine verflossene Liebe geschaut. Das Schöne und Besondere daran ist, dass die Perspektive, die dabei eingenommen wird, nicht von Wut oder starkem Herzschmerz geprägt ist. Vielmehr wird positiv zurückgeblickt.
Das Lied beginnt mit dem folgenden Zeilen:

I’m doing good, I’m on some new shit
Been saying „yes“ instead of „no“
I thought I saw you at the bus stop, I didn’t though
I hit the ground running each night
I hit the Sunday matinée
You know the greatest films of all time were never made

Bereits in den ersten Zeilen werden verschiedene Assoziationen geweckt. Zum einen bekommt man den Eindruck vermittelt, dass es der Person gut geht und sie sich vielleicht sogar gerade neu erfindet. Es wird ein Wandel angezeigt dadurch, dass sie offensichtlich neue Dinge – new shit – ausprobiert. Dieser Wandel scheint zudem positiv zu sein, da sie versucht „ja“ statt „nein“ zusagen. Betrachtet man diese ersten Zeilen im Kontext der vergangenen Liebe, bekommt man das Gefühl, dass es ihr jetzt wohl besser geht als zuvor. Oder zumindest weiß man, dass es ihr jetzt eigentlich gut geht. Hierbei liegt die Betonung auf eigentlich, denn durch die nächste Zeile wird eine leicht gegensätzlicher Eindruck vermittelt. Durch das illusionieren, ihrer vergangenen Liebe kommt die Frage auf, ob es ihr wirklich so gut geht wie sie sagt. Denn ganz abgeschlossen kann dieses Kapitel noch nicht sein, wenn die ehemalige Liebe noch so präsent ist, dass man sich einbildet sie gesehen zu haben bzw. sie mit jemandem verwechselt. Diese zwei zunächst gegensätzliche wirkenden Eindrücke verschmelzen im weiteren Verlauf dieses Liedes. Dadurch wird ein ganz bestimmtes Gefühl hervorrufen, von dem das Lied lebt. Dieses Gefühlt wird bereits schon durch den letzten Satz des ersten Verses angedeutet.  „Die besten Filme aller Zeiten wurde nie gemacht“. Auch hier schwingt ein wenig Wehmut mit, da sie ihre vergangene Liebe dadurch als etwas Besonderes hervorhebt. Als Teil der Gruppe dieser „greatest films“. Doch gleichzeitig hat die Aussage auch etwas erleichterndes. Dass ihre Liebe es nicht geschafft hat scheint auf eine Art und Weise in Ordnung zu sein, es ist schließlich nicht die einzige. Man bekommt sogar fast den Eindruck vermittelt, der Fakt, dass diese Liebe jetzt vergangen ist bzw. dass die beiden es nicht geschafft haben, ist Zeuge davon, wie groß und einzigartig diese Liebe war.

I guess you never know, never know
And if you wanted me, you really should’ve showed
And if you never bleed, you’re never gonna grow
And it’s alright now

Man kann sich nie sicher sein was noch kommt und wie sich die Dinge entwickeln, selbst wenn man eine Liebe verspürt die etwas ganz besonderes sein muss – I guess you never know. Der nächste Satz klingt fast wie ein Vorwurf, was das Gefühl erweckt, dass sie sich möglicherweise doch gewünscht hätte, dass die beiden es irgendwie hinbekommen. Gleichzeitig zeigen die zwei darauffolgenden Sätze wiederum, dass alles okay ist, so wie es jetzt ist. Was zum einen bestätigt, dass es ihr tatsächlich gut geht damit so wie es jetzt ist, auch wenn sie teilweise wehmütig auf die Zeit zurückblickt. Denn wenn man nie Schmerzen verspürt, kann man auch nicht über sich hinauswachsen. Und genau das hat sie offenbar geschafft, was demnach den angedeuteten Wandel aus dem ersten Vers bestätigt.

But we were something, don’t you think so?
Roaring twenties, tossing pennies in the pool
And if my wishes came true
It would’ve been you
In my defense, I have none
For never leaving well enough alone
But it would’ve been fun
If you would’ve been the one

Genau dieses Gefühl, das durch den Refrain vermittelt wird, macht „the 1“ so besonders. Denn es ist zwar alles gut so wie es jetzt ist und es ist auch okay, dass die Liebe der beiden nicht bestehen konnte. Trotzdem wird positiv zurückgeblickt. Trotzdem kann sie sich noch eingestehen, dass die beiden einfach etwas tolles hatten. Die Liebe wird regelrecht gefeiert. Und „wären ihre Wünsche wahr geworden, wäre er der eine gewesen“. Dabei schwingt etwas trauriges mit. Obwohl sie sich gewünscht hat, dass er der Richtige ist, sollte es nicht sein. Gleichzeitig hat es aber auch etwas schönes und leichtes. Es wäre zwar schön gewesen, wäre er der eine gewesen, aber sie ist nicht am Boden zerstört, dass es anders gekommen ist. Manchmal gehen Wünsche nicht in Erfüllung, doch das macht diese nicht weniger schön. Genauso wird die Realität dadurch auch nicht weniger lebenswert.

I have this dream you’re doing cool shit
Having adventures on your own
You meet some woman on the internet and take her home
We never painted by the numbers, baby
But we were making it count
You know the greatest loves of all time are over now
I guess you never know, never know
And it’s another day waking up alone

Und nicht nur sie erlebt einen Wandel und widmet sich neuen Dingen. Sie stellt sich zudem auch vor, dass es ihm gut geht. Dass er sein Leben ohne sie lebt und sich alleine auf neue Abenteuer begibt. Dabei schwingt jedoch keineswegs ein bitterer Unterton mit. Vielmehr wirkt es so, als wollte sie für ihn auch nur das Beste. Selbst wenn das nicht sie ist. Denn obwohl die beiden nie nach den Regeln gespielt haben, wurde daraus eine der „greatest loves of all time“. Auch wenn diese mittlerweile der Vergangenheit angehört. Dabei liegt der Fokus aber weniger darauf, dass die Liebe nun vergangen ist, sonder mehr darauf, dass sie existiert hat. Und dass es gut war, als es noch Liebe war. Vielleicht ist es nicht so wichtig, wie lange etwas hält  oder existiert, vielleicht ist es viel bedeutender, dass es überhaupt so war. Denn man weiß nie was kommt. Die letzten beiden Zeilen klingen wieder ein wenig sehnsüchtig. Als würde sie vermissen neben ihm aufzuwachen. Was zeigt, dass es auch in Ordnung ist bestimmte Dinge zu vermissen. Man könnte diesen Satz so interpretieren, dass sie die Liebe der beiden doch wieder zurück möchte. Setzt man den Satz allerdings in den Kontext des gesamten Liedes bekommt er eine andere Bedeutung: Man kann bestimmte Dinge vermissen, ohne alles zurück zu wollen.
Weiter könnte man auch sagen, dass es sich auf die Zeile darüber bezieht. Man weiß nie was passiert oder wie die Zukunft aussieht. Selbst wenn man sich zum Beispiel sicher ist den Rest seines Lebens neben einer bestimmten Person aufzuwachen, kann es sein dass man irgendwann wieder alleine aufwacht. Doch das ist schon okay so, denn:

But we were something, don’t you think so?
Roaring twenties, tossing pennies in the pool
And if my wishes came true
It would’ve been you
In my defense, I have none
For never leaving well enough alone
But it would’ve been fun
If you would’ve been the one

I persist and resist the temptation to ask you
If one thing had been different
Would everything be different today?

Nach dem Refrain folgen diese drei Zeilen. Hier zeigt sich deutlich, dass obwohl es beiden anscheinend damit gut geht alleine zu sein, trotzdem immer die Versuchung besteht sich zu fragen, hätte es nicht auch anders sein können? Was hätten vielleicht anders laufen müssen, damit sich unsere Wünsche doch erfüllen? Aber dieser Versuchung wird widerstanden. Weil es zu nichts führt. Ja, vielleicht hätte alles anders sein können, wenn eine bestimmte Sache anders verlaufen wäre. So ist es allerdings nicht. Doch eigentlich ist das auch nicht wichtig. Nicht allein, weil man es sowieso nie erfahren wird und es keinen Sinn hat sich vorzustellen, wie man die Vergangenheit ändert. Aber vor allem, weil das was war zählt – „we were making it count“.

We were something, don’t you think so?
Rosé flowing with your chosen family
And it would’ve been sweet
If it could’ve been me
In my defense, I have none
For digging up the grave another time
But it would’ve been fun
If you would’ve been the one

Auch wenn etwas besonders ist und man sich wünscht, dass dieses Besondere für immer anhält, ist das keine Garantie. Man kann nie wissen was auf einen zukommt. Und auch Wünsche, sind dafür keine Absicherung. Manchmal gehen wunderschöne Dinge zu Bruch und manchmal sind wunderschöne Dinge nicht für die Ewigkeit bestimmt. Doch das bedeutet nicht, dass sie dadurch entwertet werden. Im Gegenteil – vielleicht ist es manchmal sogar das Scheitern, das etwas einzigartig macht.

Anmerkung: Ich habe das Lied aus der Perspektive einer weiblichen Person analysiert, es kann natürlich auch aus andern Perspektiven interpretiert werden.


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